• Livestream starten:

Impfen, Delta und Testen: Interview mit Michael Ziemons

Michael Ziemons, Gesundheitsderzernent der StädteRegion Aachen, war zu Gast im 100,5 Studio. Über eine Stunde hat sich der 45-Jährige Fragen zur Impfung, der Delta Variante und dem bisherigen Umgang mit dem Virus gestellt.

Das Video des Besuchs findet Ihr auf unserem Instagram-Profil. Oder das Interview zum Nachlesen hier.

 

Glauben Sie, dass das Impftempo jetzt mit der neuen Verordnung anziehen wird?

Ziemons: Wir stellen momentan einen leichten Anstieg fest. Das sind zum Einen eben Leute, die jetzt sagen: `Mir wird das zu nervig und auch zu teuer mit dem Test. Den PCR-Test muss man ja auch selber zahlen'. Und wir haben aber auch Menschen, die sagen 'Ich wollte bewusst bis nach dem Urlaub warten', weil man eben Angst hatte, mit dem zweiten Termin dann in die Ferien zu geraten. Also, wir hoffen natürlich, dass das jetzt noch richtig anzieht, auch um Karneval zu retten und so weiter.

 

Plant die Städteregion neben Impfbussen auch weitere Anreize oder Aktionen für Impfungen oder auch für Genesene?

Ziemons: Ja, wir haben ja Impfaktionen auch vor dem Super C gemacht. Da werden wir sicherlich auch weiter mitmachen. Bei der Alemannia gibt es auch nochmal eine große Impfaktion. Da sind wir auch für die Unterstützung dankbar, damit man wieder sicher ins Stadion kann. Und wir werden mit den Karnevalsvereinen auch ne große Aktion am Elisenbrunnen machen, weil wir ja auch da gerne sicher stellen wollen, dass die Session gesund und kräftig gefeiert werden kann.

 

Bin ich nach einer Impfung weniger ansteckend, wenn ich mich trotzdem infiziert haben sollte?

Ziemons: Ja deutlich. Das ist ganz wichtig. Also wer geimpft ist und sich eben dann trotzdem ansteckt, hat erstens nur ein ganz leichten Verlauf. Das wird man kaum merken oder es ist bestenfalls eine leichte Grippe und man ist auch weniger ansteckend für andere.

 

Ein Argument, das immer wieder auftaucht: Die Impfstoffe sind einfach noch zu neu. Das ist alles zu unerforscht. Das kam alles etwas zu schnell auf den Markt und deshalb habe ich Angst vor der Impfung.

Ziemons: Das kann ich zunächst einmal verstehen, aber dann sag ich mal: Hand aufs Herz! Von wievielen Medikamenten, die sie so nehmen, wissen Sie denn eigentlich, wie lange die schon auf dem Markt sind? Was wir Wissen, ist, dass die Bestandteile des Impfstoffs nach wenigen Tagen vollständig aus dem Körper ausgeschieden werden. Wo sollen die Langzeitfolgen herkommen?

 

Was sagen Sie zum Argument, dass keine Spätfolgen abgesehen werden können, weil es keine Langzeitstudien gibt?

Ziemons: Die Bestandteile werden vollständig ausgeschieden. Es ist so, dass da eine Information abgegeben wird. Man muss sich den Impfstoff wie einen Postboten vorstellen für das Immunsystem und danach geht der auch eben wieder. Deswegen sind da Langzeitfolgen gar nicht möglich. Das ist ein Unterschied von diesen Impfstoffen zu anderen, die wir von früher kennen. Deswegen passen da auch viele Vergleiche, die Impfgegner ziehen, gar nicht.

 

Einige sagen: „Ich werde einfach nie krank. Ich habe ein super Immunsystem. Ich brauche keinen Schutz.“

Ziemons: Das ist mit der Delta Variante vorbei. Die Delta Variante hat eine so viel höhere Ansteckungsfähigkeit, dass jetzt tatsächlich- so krass das klingt- man nur noch die Wahl hat, ob man sich irgendwann anstecken will oder eben doch impfen lässt. In eineinhalb Jahren ist jeder geimpft oder genesen.

 

Wieso werden die Geimpften nicht trotzdem einfach weitergetestet?

Ziemons: Wer Symptome hat, der sollte sich tatsächlich auch weiter testen lassen. Dann einfach zum Arzt gehen und den PCR-Test machen. Der ist dann auch in jedem Fall kostenlos, wenn man Symptome hat. Ansonsten ist es aber so: Sich als Geimpfter zu infizieren, ist natürlich wesentlich seltener als als Ungeimpfter und dann ist das irgendwann nicht mehr verhätnismäßig. Wir werden damit einfach leben lernen müssen und können jetzt nicht jedem sagen: Okay, du bist geimpft, aber trotzdem ist alles so wie vorher.

 

Was ist mit all denen, die sich nicht impfen lassen können? Müssen sie den PCR-Test selbst zahlen?

Ziemons: Nein, der soll natürlich auf jeden fall auch bezahlt werden und da soll man nicht selber auf den Kosten sitzen bleiben. Wichtig ist in jedem fall, sich ein Attest vom Hausarzt zu besorgen, dass man eben nicht geimpft werden kann aus gesundheitlichen Gründen.

 

Es gibt bei den Masern zum Beispiel schon lange eine Impfpflicht, gerade auch für medizinisches Personal. Warum nicht auch bei Covid?

Ziemons: Ja, ich persönlich glaube halt, dass die Glaubwürdigkeit auch ein bisschen runtergeht, wenn man die Leute zu etwas zwingen muss. Wenn ich davon überzeugt bin, dass es gut ist und dass es ungefährlich ist, dann kann ich doch damit auch offen umgehen, meine Argumente auf den Tisch legen und die Leute überzeugen, statt sie zu zwingen.

 

Einige Ärzte raten vom Impfen ab.

Ziemons: Ja, es gibt eben Einzelfälle und besondere Erkrankungen, wo man sich dann tatsächlich auch nicht impfen lassen sollte. Das sind aber sehr seltene Fälle. Wenn man das Gefühl hat, dazu zu gehören, sollte man das mit dem Arzt besprechen. Die ganz überwiegende Mehrheit bis auf einzelne Ausnahmen ist ja doch sehr überzeugt davon, dass das sehr gute, sehr sichere und sehr wirksame Impfstoffe sind.

 

In den „Vorzeigeländern“ der Pandemie, wie Israel oder Island, sind die Zahlen wieder gestiegen trotz enormer Impfquote…

Ziemons: Ja, da muss man eben gucken, wo kommen die hohen Zahlen her? Die kommen eben auch da von den Ungeimpften. Das spricht ja für sich.

 

Warum gab es ein so großes Hin und Her rund um die Impfstoffe, rund um die Zulassung, um die Empfehlungen, auch um die Interpretation der Nebenwirkungen?

Ziemons: Das hat auch viel für Verunsicherung gesorgt und das war ja für uns nicht ganz einfach, wenn zum Beispiel Donnerstags abends eine STIKO-Empfehlung kommt und wir die Freitags morgens nicht sofort umgesetzt hatten. Da gab es ja auch mal ein bisschen Aufregung im Impfzentrum. Ich glaube, was wir eben erlebt haben, ist work in progress. Es ist auf jede neue Studie, jede wissenschaftliche Erkenntnis sofort reagiert worden und natürlich ist das dann auf der einen Seite „Hin und Her“, aber auf der anderen Seite heißt das auch: Wir ignorieren nicht einfach Fakten, sondern nehmen die auch ernst und ändern dann auch was. Das gibt ja eigentlich Sicherheit.

 

Wie hoch ist meine Ansteckung als Geimpfter?

Ziemons: Wer geimpft ist und trotzdem eben ansteckend ist, hat eine wesentlich geringere Viruslast. Das heißt, er ist für wesentlich weniger Leute ansteckend. Die Gefahr, sich von einem Geimpften anzustecken, ist deutlich, deutlich geringer und das ist eben wichtig dabei.

 

Welche Vorteile habe ich von der Impfung, außer dass ich ein geringes Risiko für einen schweren Verlauf habe?

Ziemons: Überhaupt das Risiko, mich anzustecken. Wenn ich neben einem Positiven stehe, ist es noch deutlich niedriger. Wenn ich mich dann doch anstecke, ist es halt eben überall immer nur ein ganz leichter Verlauf und dass ich dann noch Andere anstecke, ist auch wesentlich seltener.

 

Gibt es eine Empfehlung für Schwangere? Und was ist hier mit den Tests?

Ziemons: Bei Schwangeren ist es tatsächlich so, dass sehr viele Frauenärzte eben auch impfen. Es gibt keine generelle Ablehnung. Das sollte man dann tatsächlich auch mit einem Frauenarzt, dem man vertraut, besprechen, damit man sich dann auch sicher fühlt. Natürlich sollen Schwangere die Tests auch weiterhin bezahlt bekommen. Da braucht man eben auch da einfach eine Bescheinigung vom Arzt.

 

Ab Oktober müssen Ungeimpfte die Tests aus eigener Tasche bezahlen. Sehen Sie die Gefahr, dass sich dann weniger Menschen testen lassen und dass die Verbreitung des Coronavirus dann wieder ansteigt?

Ziemons: Das ist eben tatsächlich die Crux. Jeden, den ich durch einen positiven Schnelltest herausfische, ist ja wunderbar. Dass er auch andere dann schützt. Je weniger Leute eben getestet werden, desto mehr laufen möglicherweise unerkannt ansteckend rum. Das ist ja das Blöde an dieser Erkrankung, dass man eben auch ansteckend sein kann ohne es zu wissen. Das müssen wir aushalten, denn ohne den Test wird man ja nirgendo reinkommen. Wenn sich die Leute nicht testen lassen, entscheiden sie sich dafür, dann irgendwo nicht dran teilzunehmen und können dann eben weniger anstecken.

 

Sind Ihnen hier aus unserer Region Fälle bekannt von gefälschten Impfpässen oder auch von gefälschten Tests?

Ziemons: Natürlich gibt es das hier genauso wie anderswo auch. Wir hatten leider auch einen Mitarbeiter im Impfzentrum, der versucht hat, Sachen zu stehlen, um so etwas zu verkaufen. Das haben wir aber rechtzeitig entdeckt und dann natürlich auch zur Anzeige gebracht. Die Versuchung ist groß, weil man damit schnelles Geld machen kann. Man muss sich eben aber auch klarmachen, dass derjenige, der so einen gefälschten Impfpass nutzt, sich natürlich genauso strafbar macht und das ist immer leichter zu erkennen auch.

 

Der FC Köln, Düsseldorfer Karneval oder auch Bands, wie Brings, schließen Ungeimpfte von ihren Veranstaltungen aus. Wie finden Sie das?

Ziemons: Bei öffentlichen Veranstaltungen kann ich das sehr gut nachvollziehen, denn keiner möchte, dass eben eine Karnevalsveranstaltung oder ein Fußballspiel sozusagen wieder wie am Anfang der Pandemie zu einem Superspreader-Ereignis wird. Ich möchte den Leuten ein sicheres Gefühl geben, damit sie unbeschwert feiern können und dann machen solche Regelungen natürlich Sinn. Für den Arbeitgeber ist das etwas anderes. Da geht es darum, dass die Leute ihr Brot verdienen können und dann muss man eben die Tests durchsetzen. Ich empfehle allen Arbeitgebern immer, eine Betriebsvereinbarung zu machen, was die Tests betrifft. Dann ist man rechtlich etwas mehr auf der sicheren Seite. Allerdings empfehle ich natürlich auch den Kolleginnen und Kollegen, auf ihre Kollegen einzuwirken und zu sagen 'Mensch, wär doch für uns alle besser und überleg doch mal'. Also nicht als Druck natürlich, aber doch um im Gespräch zu bleiben.

 

In vielen Familien oder Freundeskreisen gibt es durchaus kontroverse Diskussionen zum Thema, manchmal sogar Zerwürfnisse. Wie erleben Sie das denn privat? Haben Sie schon Kontakt zu Menschen eingeschränkt?

Ziemons: Es gibt eher Leute, die den Kontakt zu mir einschränken, weil sie ja Wissen, wo ich stehe inhaltlich, aber ja, ich erlebe das auch. Ich kriege auch Diskussionen mit und das ist das, was mich am meisten beschäftigt, dass wir da so Risse spüren durch Vereine, durch Familien, durch Kollegien, Mitarbeitende und das tut mir sehr weh, weil ja die meisten Argumente wirklich Blödsinn sind. Und wenn Menschen sich haben aufstacheln lassen, die glauben ja an das, was sie sagen, haben vielleicht auch echt Angst. Dann will ich das auch ernst nehmen. Dann will ich die Leute ja auch nicht einfach so abbügeln. Wer Angst hat, der soll ja Infos bekommen, aber wenn die Infos dann eben falsch sind, wird es schwierig. Da glaube ich, dass wir in der Gesellschaft noch viel zu tun haben werden, um diese Risse irgendwann wieder zu glätten.

 

Wann wird denn endlich wieder alles normal, so wie wir es kennen von vorher?

Ziemons: Ich glaube, wir werden mit Maske, mit gewissen Einschränkungen noch bis ins Frühjahr zu tun haben. Ganz weg gehen wird das Virus natürlich nicht. Das wird sich wie ein Grippevirus auch immer weiter verändern. Es ist letztlich auch eine Frage der Zeit, bis irgendwann eine Variante kommt, die auch gegen die Impfstoffe immun ist. Aber das wird durchaus noch länger dauern und deswegen glaube ich schon, dass wir jetzt in einem halben Jahr davon reden können: Jetzt lernen wir, damit zu leben.

 

Wenn sich Eltern beim Impfen der Kinder nicht einig sind, was dann?

Ziemons: Man kann jetzt auch ab 12 Jahre im Impfbus oder im Impfzentrum jederzeit geimpft werden, braucht keinen Termin mehr vorher vereinbaren und es ist auch nur noch die Einwilligung eines Elternteils nötig, nicht mehr beider. Das hat sich jetzt durch die STIKO-Empfehlung geändert. Man muss natürlich im Einzelfall jetzt immer noch mal gucken, ob sich das Verhältnis zur (Ex)-Frau jetzt gerade verbessert, wenn man hinter deren Rücken den Sohn impfen lässt. Das ist natürlich schwierig und man muss gucken, wie liegt das jetzt juristisch mit dem Sorgerecht, aber grundsätzlich geht das und es ist nur noch ein Elternteil notwendig und jederzeit ohne Termin im Impfzentrum oder Impfbus.

 

Brauchen Jugendliche das Einverständnis eines Elternteils?

Ziemons: Ab 16 kann man auch ohne Einwilligung der Eltern geimpft werden.

Zurück

Ähnliche Themen

Tausende offene Ausbildungsstellen bei der Arbeitsagentur

  • 100,5 Revier

Die Halbjahresbilanz der Arbeitsagentur Aachen-Düren zeigt, dass es derzeit noch 3.233 offene Ausbildungsstellen gibt. Daneben gibt es allerdings auch noch 3.466 Bewerber, die eine Stelle brauchen.

Ein ungewöhnlicher Fakt, dass die Zahl der offenen Stellen unter der Zahl der Bewerber liegt – in den letzten Jahren ist es meistens andersrum gewesen.

NRW und Belgien arbeiten enger im Rettungsdienst zusammen

  • 100,5 Revier

In Aachen haben Vertreter der NRW-Landesregierung, der Regierung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und der belgischen Zentralregierung eine gemeinsame Absichtserklärung unterschrieben. Die grenzüberschreitende Rettungsarbeit soll in Zukunft vereinfacht und verbessert werden.

Eine gemeinsame Arbeitsgruppe soll in Zukunft weiter an dem Thema arbeiten.

Polizei kann mehrere Anzeigen schreiben

  • Aachen

Am Mittwochmorgen hat eine Streife der Bundespolizei einen Autofahrer am Rastplatz Königsberg an der A44 kontrolliert. Auf den Fahrer kommen mehrere Strafanzeigen zu.

Es hatte auch bei seinen beiden Mitfahrern Gesprächsbedarf gegeben.

Bahnhof Rothe-Erde gesperrt

  • Aachen

Am späten Mittwochnachmittag musste der Bahnhof Rothe-Erde gesperrt werden. Auch die Gleise wurden gesperrt.

Dort ist es zu einem Notarzteinsatz gekommen.

Tausende Ersthelfer bei „Region Aachen rettet“

  • 100,5 Revier
  • Stolberg

Etwas mehr als drei Jahre nach dem Start der Initiative „Region Aachen rettet“ haben sich mehr als 6.300 Ersthelfer bei der dazugehörigen App „Corhelper“ angemeldet. In über 3.300 Fällen waren die Helfer zur Stelle.

Wichtig für die Helfer ist ein dichtes Netz von öffentlich zugänglichen automatisierten externen Defibrillatoren – kurz AED.

Schwerer Unfall auf der B57

  • Linnich

Am Dienstagnachmittag gab es einen schweren Autounfall auf der B57 zwischen Linnich und Gereonsweiler. Dabei wurden zwei Menschen schwer verletzt.

Die B57 war für mehrere Stunden voll gesperrt.

* Alle Preise inkl. gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. Systemgebühr in Höhe von 1,49 € pro Artikel und optional zzgl. Versandkosten